Das Gesamtkunstwerk

Hermann Nitsch

16. Mar 2019 – 28. Jul 2019

Hermann Nitsch (geb. 1938 in Wien/AT) ist Mitbegründer des Wiener Aktionismus und zählt zu den wichtigsten Aktionskünstlern der Gegenwart. Sein Opus magnum, das Orgien Mysterien Theater, ist eine neue Form des Gesamtkunstwerkes. Die Idee dazu entstand im Jahr 1957 und führte bis dato zur Realisierung von 155 Aktionen, 75 Malaktionen und unzähligen Werken in verschiedenen Kunstdisziplinen. Mit seinem OEuvre zählt der Künstler zu den internationalen Pionieren der Performing-Art-Bewegung.

Die Ausstellung im Lechner Museum Ingolstadt widmet sich dem Nitsch Gesamtkunstwerk mit all seinen Werkdisziplinen und schafft einen umfangreichen Überblick über das einzigartige Werk des Universalkünstlers, der mitunter auch mehrere Jahre in Bayern lebte. Im Zentrum der Präsentation im Erdgeschoß steht die 20. Malaktion von Hermann Nitsch, welche 1987 in der Wiener Secession realisiert wurde. Sie gilt als Nitsch Hauptwerk und ist laut Hermann Nitsch seine weltweit einzige vollständig erhaltene Malaktion und ist in dieser Ausstellung erstmals außerhalb von Österreich zu sehen.

© Studio Hetzer


Im Obergeschoss offenbart sich der Kosmos Nitsch in all seinen Facetten und führt die Besucher*innen in die Welt des Orgien Mysterien Theaters ein, in dessen Zentrum das Seinsbewusstsein als philosophisch-theoretische Grundlage steht. Nitsch geht es um die Gegenwärtigkeit, das unmittelbare und sinnliche Erleben von realen Geschehnissen im Zuge der Aktionen. Es geht um das Erreichen eines seinstrunkenen Zustandes, der das „Fleisch der Wirklichkeit" (Hermann Nitsch) mit Hilfe aller menschlichen Sinnesorgane bewusst und unmittelbar erfahrbar macht. Mit diesem Konzept und den für viele als radikal empfundenen Aktionen revolutionierte Hermann Nitsch den Theaterbegriff und erweiterte den Kunstbegriff des 20. Jahrhunderts.

Auch in dieser Arbeit verbinden sich Fragment und Ganzheit, Freisetzen und Erinnern. Diese Doppelheit ist vielleicht ein Leitfaden in das Werk von Susanne Tunn hinein.

- Dorothée Bauerle-Willert

Während im Erdgeschoss das dunkle Blau-Grau des Labrador-Steins aus Norwegen und des Krastaler Marmors aus Österreich vorherrscht, präsentiert Susanne Tunn im Obergeschoss zum ersten Mal den gesamten Zyklus Die Große Melancholie. Wie in einer naturwissenschaftlichen Versuchsanordnung sind die hellen Skulpturen aus andalusischem Macael Marmor aufgereiht, in komplexen, geometrischen Formen, die an das Schleifen von Diamanten erinnern. Susanne Tunn hat diesen Werkzyklus über 30 Jahre hinweg von 1990 bis 2022 in Anlehnung an Albrecht Dürers berühmte Melencolia I geschaffen.

Mit den aus Zinn gefertigten Arbeiten im Obergeschoss bringt uns Tunn ins Jahr 2015, als sie die Fugen des Bodens im Dominikanerkloster in Osnabrück mit reinem, flüssigem Zinn ausgoss. Das regelmäßige Raster der Bodenfugen wurde zur einmaligen Form, wie ein Fingerabdruck, und wölbt sich nun über den Boden, als wollte es sich aus der Restriktion der eigenen Haut befreien. Die feinen und sensiblen Arbeiten auf Papier geben im Obergeschoss einen Einblick in das umfangreiche und eigenständige grafische Werk von Susanne Tunn.

Während einige ihrer Skulpturen in Gewicht und Masse, ähnlich wie bei Alf Lechner, die Grenzen des Machbaren ausloten, so führen uns diese mit Tusche und Bleistift gefertigten Werke auf Papier, wie Miniaturen in den gedanklichen Kosmos der Bildhauerin. Sie erlauben Transparenz und Leichtigkeit und lassen die grafischen Objekte schwerelos tanzen.
Susanne Tunn verband mit Alf Lechner eine über 30 Jahre währende Künstlerfreundschaft. Geprägt von einem gemeinsamen Verständnis der Kraft der Natur, der Sensibilität von archaischem Material, von Reduktion und der Balance von Masse und Raum, war es der ausdrückliche Wunsch Alf Lechners, ihr auch nach der Präsentation von Perlen aus Stein im Jahr 2006 eine umfassende Werkschau zu ermöglichen. Es ist uns daher eine besondere Freude, diesem Wunsch nun entsprechen zu können.

Susanne Tunn verband mit Alf Lechner eine über 30 Jahre währende Künstlerfreundschaft. Geprägt von einem gemeinsamen Verständnis der Kraft der Natur, der Sensibilität von archaischem Material, von Reduktion und der Balance von Masse und Raum, war es der ausdrückliche Wunsch Alf Lechners, ihr auch nach der Präsentation von Perlen aus Stein im Jahr 2006 eine umfassende Werkschau zu ermöglichen. Es ist uns daher eine besondere Freude, diesem Wunsch nun entsprechen zu können.

Kunst enthüllt und schafft, und sie verbirgt, ist Ordnung und Chaos gleichzeitig. Was schön ist, entspricht und widerspricht den Betrachtenden. Diese Spannung ist es, die Susanne Tunn streng aufrechterhält.

- Jörg Mertin

Info zur Ausstellung

Ausstellende*r
Hermann Nitsch
Zeitraum

16. Mar 2019 – 28. Jul 2019

Kuratiert von
Michael Karrer
karrer@nitschmuseum.at